Verfahrensrecht | Kapitalertragsteuer: Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb als Steuerentrichtungspflichtiger

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Mit Urteil vom 11.12.2024 (veröffentlicht am 20.03.2025) hat der BFH eine praxisrelevante verfahrensrechtliche Frage geklärt: Wer ist in Fällen eines Gewinntransfers bei einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eigentlich Steuerschuldner und wer ist Steuerentrichtungspflichtiger? Und wie wirkt sich das auf die Festsetzungsfristen bei der Kapitalertragsteuer aus?

Hintergrund

Im Zentrum stand die Frage, ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (etwa bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts) im Zusammenhang mit einem Gewinntransfer an die Trägerkörperschaft als sogenannter „Dritter“ nach § 171 Abs. 15 AO gilt – und ob daraus eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist für die Kapitalertragsteuer folgt.

Die Kernaussage des BFH:

Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist bei Gewinnübertragungen an die Trägerkörperschaft als „Dritter“ im Sinne des §171 Abs.15 AO zu behandeln. Das hat zur Folge:

  • Die Trägerkörperschaft ist fiktiver Gläubiger der Kapitalerträge und zugleich Steuerschuldnerin.
  • Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ist fiktiver Schuldner der Kapitalerträge und zugleich Steuerentrichtungspflichtiger.
  • Die Festsetzungsfrist gegenüber der Trägerkörperschaft ist grundsätzlich bis zum Ablauf der Frist gegenüber dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gehemmt(§ 171 Abs. 15 AO).

Keine personenübergreifende Ablaufhemmung bei Einspruch

Konkret entschied der BFH aber auch: Ein Einspruchs- oder Klageverfahren gegen einen Haftungsbescheid des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs führt nicht automatisch zu einer Ablaufhemmung für die Kapitalertragsteuer-Festsetzung gegenüber der Trägerkörperschaft (§ 171 Abs. 3a AO). Denn:

  • Die Haftung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und die Steuerfestsetzung gegenüber der Trägerkörperschaft betreffen unterschiedliche Personen.
  • Eine personenübergreifende Ablaufhemmung sieht das Gesetz nicht vor.

Bedeutung für die Praxis

Gerade im Bereich der öffentlichen Hand (z. B. bei Regiebetrieben, Eigenbetrieben oder wirtschaftlichen Tätigkeiten von Körperschaften) kommt es regelmäßig zu Gewinnabführungen. In diesen Fällen ist genau zu prüfen:

  • Wer gilt als Steuerschuldner, wer als Entrichtungspflichtiger?
  • Wie lange läuft die Festsetzungsfrist, und welche Verfahrensschritte hemmen ihren Ablauf?
  • Gibt es rechtssichere Grundlagen für die Inanspruchnahme eines Beteiligten im Haftungs- oder Steuerbescheid?

Der BFH betont die strikte Trennung der Rollen und die Bedeutung klarer gesetzlicher Grundlagen. Die Entscheidung bringt damit mehr Rechtssicherheit für Fälle, in denen wirtschaftliche Geschäftsbetriebe in ein steuerliches Haftungskonstrukt eingebunden sind.