(BFH, Urteil vom 27.11.2024 – X R 25/22, veröffentlicht am 10.07.2025)
Die fortschreitende Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens bringt auch neue gesetzliche Instrumente mit sich. In einem aktuellen Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein Einkommensteuerbescheid nach § 175b Abs. 1 AO auch dann geändert werden darf, wenn relevante elektronische Daten erst nach Erlass des Bescheids an das Finanzamt übermittelt wurden – selbst wenn der Sachverhalt dem Finanzamt durch die Steuererklärung bereits bekannt war.
Sachverhalt
Die Kläger, ein Ehepaar, wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann bezog Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die in der Steuererklärung korrekt angegeben wurden. Da dem Finanzamt zum Zeitpunkt der Veranlagung keine elektronische Rentenbezugsmitteilung (§ 22a EStG) vorlag, ließ es diese Einkünfte im Einkommensteuerbescheid unberücksichtigt.
Kurz darauf übermittelte die Rentenversicherung die Daten elektronisch im Sinne des § 93c AO. Das Finanzamt änderte daraufhin den Bescheid gemäß § 175b Abs. 1 AO und erfasste die Renteneinkünfte nachträglich als steuerpflichtige sonstige Einkünfte.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH bestätigte die Auffassung des Finanzamts und wies die Revision der Steuerpflichtigen als unbegründet zurück:
- Die Änderung nach § 175b Abs. 1 AO ist rechtmäßig, auch wenn die eDaten erst nach Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids übermittelt wurden.
- Es kommt nicht darauf an, ob der Inhalt der Daten dem Finanzamt bereits anderweitig bekanntwar – etwa aus der Steuererklärung.
- Maßgeblich ist allein, ob elektronisch übermittelte Daten im Sinne des § 93c AO nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
„Eine Änderung nach § 175b Abs. 1 AO ist auch dann zulässig, wenn die Daten […] erst zu einem späteren Zeitpunkt – erstmalig – an die Finanzbehörde übermittelt worden sind. Unerheblich ist, ob der Inhalt der Daten der Finanzbehörde bereits anderweit bekannt war.“
— BFH, Urteil vom 27.11.2024 – X R 25/22, veröffentlicht am 10.07.2025
Rechtsgrundlage: § 175b AO
Der Gesetzgeber hat § 175b AO mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2017 eingeführt, um den rechtssicheren Umgang mit digital übermittelten Drittinformationen (z. B. Rentenbezugsmitteilungen, Lohnsteuerdaten, Krankenversicherungsbeiträge) zu ermöglichen. Anders als bei den Grundlagenbescheiden (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) erlaubt § 175b AO eine Änderung auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Nachprüfung oder nachträglich bekannt gewordene Tatsachen.
Dies wurde bereits vom BFH in einem vergleichbaren Fall bestätigt:
„Es kommt für eine Korrektur nach § 175b AO […] nicht darauf an, wann die Daten übermittelt wurden.“
— BFH, Urteil vom 20.02.2024 – IX R 20/23, BStBl II 2024, 587, Rz 20
Fazit und Beratungshinweis
Die Entscheidung verdeutlicht: Die Berücksichtigung von eDaten hat Vorrang gegenüber der Bestandskraft eines Steuerbescheids. Betroffene sollten wissen, dass auch nachträglich übermittelte Daten – selbst bei bereits bekanntem Inhalt – zu einer Änderung des Steuerbescheids führen können.
Wichtig für Steuerpflichtige:
- Eine Änderung nach § 175b AO ist zulässig und verpflichtend, wenn eDaten unberücksichtigt geblieben sind.
- Auch wenn keine neuen Tatsachen oder Beweise vorliegen, kann ein ursprünglicher Bescheid zugunsten oder zulasten des Steuerpflichtigen geändert werden.
- Die Regelung gilt für Besteuerungszeiträume ab 2017.
Quellen und Fundstellen
- BFH, Urteil vom 27.11.2024 – X R 25/22, veröffentlicht am 10.07.2025, abrufbar über www.bundesfinanzhof.de
- BFH, Urteil vom 20.02.2024 – IX R 20/23, BStBl II 2024, 587
- § 175b Abs. 1 AO: Änderung eines Steuerbescheids bei unzutreffender Berücksichtigung elektronisch übermittelter Daten
- § 93c AO: Übermittlungspflichten Dritter
- § 22a EStG: Rentenbezugsmitteilungen
Sie haben Fragen zur Änderung Ihres Steuerbescheids oder zur Anwendung von § 175b AO?
Wir beraten Sie kompetent und individuell – sprechen Sie uns einfach an.